Das DFG-Netzwerk „Soziologie des Un/Verfügbaren“ folgt einer zeitdiagnostischen Spur, welche die soziologische Imagination inspiriert und herausfordert. Im 21. Jahrhundert kulminiert die sich ausbreitende Verfügbarmachung der Welt, des Selbst und des Sozialen in einer stetigen Zunahme komplexer gesellschaftlicher Transformationsereignisse. Die Konfrontation mit diesen Ereignissen wird primär in Erfahrungen des Ungewissen, der Unabsehbarkeit, der Orientierungslosigkeit und des Unkontrollierbaren artikuliert, kurz: in Erfahrungen des Unverfügbaren, und die Ereignisse selbst mit Stichworten wie Anthropozän, europäische Flüchtlingskrise, Big Data, KI oder auch mit humanitären Katastrophen verknüpft.
Die Ausgangsthese des Netzwerks ist, dass diese Ereignisse deswegen eine neue Qualität aufweisen, weil ihr komplexes Zustandekommen, ihr unüberschaubarer Zusammenhang und ihre ungewissen Folgen eine Zäsur darstellen, die mit den Formen modernen Denkens nicht mehr hinreichend zu fassen ist und die etablierten Forschungspraktiken und Wissensformen herausfordert, ja gar in Frage stellt. Deswegen wollen wir als multiperspektivisches Netzwerk, in Auseinandersetzung mit einerseits bestehenden soziologischen Theorieangeboten und andererseits neuen Denkhorizonten aus den Kultur- und Geisteswissenschaften, eine Theoriebildung vorantreiben, mit der diese Zäsur des Unverfügbaren in der Soziologie adäquat erfasst werden kann, ohne wichtige Veränderungen dabei unbeobachtet zu lassen.